Grobschlächtiger Mann steht mit Rücken zum Publikum an Küchenzeile, blickt nach rechts.
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Nicht alle sind begeistert vom Traum zweier Städter, ein Leben auf dem Land leben wollen. Darum geht es in dem hochdekorierten Thriller.

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Herausragend gespieltes Psychoduell: "Wie wilde Tiere" im Kino

Ein französisches Aussteigerpaar in Spanien – und zwei Brüder, die den Zugezogenen das Leben schwer machen: "Wie wilde Tiere" holt aus einem Nachbarschaftskonflikt ein existenzielles Drama. Neunmal ausgezeichnet beim Filmpreis Goya, jetzt im Kino.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Schönheit und Schrecken, Natur und Technik, Miteinander und Gegeneinander: Das Leben ist ein Tanz der Gegensätze. Die Szene, die den spanisch-französischen Thriller "Wie wilde Tiere" eröffnet, ist ein Sinnbild für die Dualität unseres Daseins: In Zeitlupe und untermalt von bedrohlicher Musik sieht man zwei Männer, die ein sich wehrendes Wildpferd in die Enge treiben, das schwer atmende Tier schlussendlich mit bloßen Händen niederringen. Aus Chaos erwächst Ordnung, aufgezwungen durch das Gesetz des Stärkeren. Doch das Prinzip der Dualität besagt: Gewalt muss nicht die letzte Lösung sein.

Von zweien, die auszogen ...

All das sollte im Hinterkopf haben, wer sich diesen existentialistischen Thriller von Rodrigo Sorogoyen im Kino ansieht. Inspiriert von einer wahren Begebenheit, erzählt "Wie wilde Tiere" die Geschichte von Antoine und Olga, einem französischen Ehepaar, das nach Spanien ausgewandert ist. Im vom Tourismus noch unentdeckten Nordwesten des Landes, in einem winzigen Bergdorf in Galicien, haben der ehemalige Lehrer und seine Frau als Biobauern einen Neubeginn gewagt. Die Arbeit ist hart, aber erfüllend, das Geschäft läuft gut, abends genießt das Paar die Stille der malerischen Bergkulisse. Ihr Glück könnte perfekt sein. Wären da nicht ihre Nachbarn, die Brüder Xan und Lorenzo.

Es könnte alles so schön sein

Schon seit Jahren machen die in ärmlichen Verhältnissen lebenden Viehbauern dem Aussteigerpaar das Leben schwer, akzeptieren sie nicht als ihresgleichen: Hier die Spanier, dort die Franzosen, hier die Bergbewohner, die die Region noch nie verlassen haben, dort die studierten Fremden mit ihren Weltverbesserungsfantasien. Neid, Misstrauen und Alkoholmissbrauch allein können den Hass nicht erklären, der vor allem über Antoine hereinbricht. Konfrontation für Konfrontation werden die tieferliegenden Gründe klarer – Antoine boykottiert den Bau eines Windparks, der die Landschaft zerstören würde. Seinen Nachbarn ist das herzlich egal: Das Land hat ihnen viel abverlangt, aber wenig gegeben, der Windpark könnte ihre Existenznöte lindern. Zwischen ihnen steht die Frage: Wer zwingt wem seinen Willen auf? Und vor allem: wie?

Im Video: Trailer "Wie wilde Tiere"

Fast ein moderner Western

In vielerlei Hinsicht erinnert "Wie wilde Tiere" an einen modernen Western: Die Schönheit der unberührten Natur konterkariert die negativen Auswüchse der Zivilisation. Gezeigt wird eine männerdominierte und feindselige Welt. Während die einen mit Worten nach einer Lösung suchen, wenden die anderen Waffen und Gewalt an. Frauen spielen eine untergeordnete Rolle – zumindest in der ersten Hälfte des Films.

Denn mit dem tragischen Höhepunkt dieses herausragend gespielten Psychoduells ändert sich die Perspektive: War zuvor Antoines Sicht der Dinge handlungsbestimmend, ist es nun Olga, die die Dinge in die Hand nimmt. Auch sie sucht entschlossen nach einer Lösung des Problems und nach Wegen, Recht und Ordnung wieder herzustellen. Am Ende triumphiert sie über die Bestien, kann diesen Sieg aber nur mit einem kurzen, gequälten Lächeln feiern – denn ihre Verluste sind schwerwiegend.

Was bleibt, ist das Unbehagen, das dieser Film zwei Stunden lang meisterhaft aufrecht erhält – und das Wissen, dass die Gegensätze dieser Welt auf ewig fortbestehen werden.

"Wie wilde Tiere" - Frankreich, Spanien 2022 | 137 Min. Regie: Rodrigo Sorogoyen. Mit Denis Ménochet, Marina Foïs & Luis Zahera. FSK 0.

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